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Geboren bin ich 1961 in Bremen. Nach Abitur und Zivildienst zog ich zum Studieren nach Berlin. An dem Friedrich-Meinecke-Institut der FU Berlin belegte ich die Fächer Neue Geschichte, Alte Geschichte und Publizistik.
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Einen Teil meines Studiums finanzierte ich durch das Schreiben von Glossen, Satiren und Sketchen für den Hörfunk und für diverse Zeitungen. Nach dem Studium schloss sich eine intensive journalistische Tätigkeit zu vorwiegend historischen Themen an. Es entstanden zahlreiche Feature.
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Parallel dazu und im Zuge meiner Vorrecherche zur Doktorarbeit stieß ich im Bremer Staatsarchiv auf die Entnazifizierungsakte des Kriminalsekretärs Wilhelm Mündtrath. Er hatte in der NS-Zeit das sog. Zigeunerdezernat geleitet und u.a. im März 1943 die Deportationen der Sinti und Roma aus Nordwestdeutschland nach Auschwitz geleitet. Einen der Deportationszüge begleitete er persönlich nach Auschwitz.
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Bis dato war über die NS-Verfolgung der Sinti und Roma in Bremen und Bremerhaven nur sehr wenig bekannt. Dieser Aktenfund ermöglichte nun erstmals eine intensive Aufarbeitung der Geschehnisse in der NS-Zeit. Zusammen mit dem Bremer Sinti-Verein und Jens Schreiber startete ich ein Forschungsprojekt. Es führte letzten Endes zu den Gedenktafeln in Bremen (auf dem ehemaligen Schlachthof am Hauptbahnhof, der als Sammellager von der Bremer Kripo genutzt worden war, auf dem Foto links und links unten) und Bremerhaven (Foto unten rechts) und zusammen mit Jens Schreiber zu einer Publikation über die NS-Verfolgung der Sinti und Roma in Nordwestdeutschland.
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Ein Teil der Recherchen zu diesem Projekt führte mich zum damaligen Berliner Document Center. Eine junge Bremer Sintezza war kurze Zeit in dem Frauenkonzentrationslager Moringen (bei Göttingen) inhaftiert. Akten hierzu befanden sich auch im Document Center. Der Fund bestand aus über 300 Personalakten zu Häftlingen des Moringer Frauen-KZ. In den Akten befanden sich Fotos, Tagebücher, Briefe, Korrespondenzen u.v.m. Wie er nach Berlin gekommen war, ist unklar. Durch seine Aufbewahrung in dem schwerzugänglichen Document Center war er jedoch in Vergessenheit geraten. Dies erfuhr ich, als ich deretwillen die KZ-Gedenkstätte in Moringen (Foto unten rechts) kontaktierte.
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Im Herbst 1995 startete an der Gedenkstätte ein zweijähriges Projekt zu den ersten beiden Konzentrationslagern in Moringen, dem frühen und Frauen-KZ. Ziel waren zwei wissenschaftliche Publikationen zu den KZ und die Erweiterung der bestehenden Ausstellung um die Geschichte dieser KZ. Hierfür zog ich von Berlin nach Northeim, um neben der Projektarbeit auch in der Gedenkstätte zu arbeiten. Nach Abschluss dieser Forschungen und Fertigstellung der Publikationen zum frühen und Frauen-KZ, schloss sich noch eine Mitarbeit in einem weiteren Projekt an der Gedenkstätte an (Abfassung eines Drehbuches).
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Die Nähe zur Universitätsstadt Göttingen ermöglichte es mir während dieser Zeit eine Recherche aus meinen Forschungen über die NS-Verfolgung der Sinti und Roma abzuschließen. Ein Kollege hatte mir den Tipp gegeben, dass eine Mitarbeiterin des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in Berlin-Dahlem, die sich für die Verschiedenfarbigkeit menschlicher Augen interessierte, in Bremen entnazifiziert worden sei. Ich fand ihre Akte. Es stellte sich heraus, dass sie ihre Untersuchungen an Oldenburger Sinti durchgeführt hatte und sich von Mengele deren Augen aus Auschwitz nach deren Tod schicken ließ. Nach 1945 arbeitete sie als Lehrerin in Bremen. Studiert hatte Karin Magnussen in Göttingen, wo ich nun meine Recherchen über sie vervollständigen konnte. Nach meiner Projekttätigkeit in Moringen an der Gedenkstätte konnte ich das Buch 2001 endlich veröffentlichen.
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Die Arbeit in Moringen verstärkte mein Interesse an Biografien von Zeitzeugen. Die erste Publikation hierzu war die Veröffentlichung der Briefe von Hannah Vogt aus dem Gerichtsgefängnis (Foto links) in Osterode (Harz) und dem KZ Moringen. Seit November 2003 befindet sich in Osterode in der Zelle, in der Hannah Vogt als junge Frau mehrere Wochen inhaftiert war bevor sie ins KZ nach Moringen kam, eine kleine Gedenkstätte.
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Während meiner Projektarbeit in Moringen stieß ich noch auf ein weiteres Thema, das mich über mehrere Jahre beschäftigte: Die NS-Verfolgung der Zeugen Jehovas. Den Anfang machte meine Feststellung, dass die Zeuginnen Jehovas in dem Frauen-KZ Moringen keine kleine Gruppe darstellten, sondern dass sie phasenweise sogar das größte Kontingent an Inhaftierten stellten. Parallel hierzu fanden im In- und Ausland mehrere wissenschaftliche Tagungen statt, an denen ich als Referent teilnahm. Im Zuge dieser Tagungen entstand immer wieder der Wunsch nach einer Dokumentation der Referate in einem Tagungsband, da es in den 1990er Jahren nur sehr wenige Informationen über die Geschichte der NS-Verfolgung der Zeugen Jehovas gab. Einen dieser Tagungsbände gab ich 1998 heraus.
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Zusammen mit Jürgen Harder, der zuvor seine Magisterarbeit über die Zeuginnen Jehovas im Frauen-KZ Moringen geschrieben hatte, begann ich zu der Gruppe der Zeuginnen Jehovas mit Recherchen. Ursprünglich planten wir diese spezielle Häftlingsgruppe in den verschiedensten Frauen-KZ gesondert zu untersuchen.
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Als wir jedoch feststellten, dass es sich häufig um die gleichen Frauen handelte, die in Moringen, Lichtenburg (Foto oben) und Ravensbrück inhaftiert waren, entschlossen wir uns, die Verfolgungsgeschichte dieser Frauen in einer umfangreichen Monografie darzustellen. Sie erschien 2001.
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Während meiner Arbeiten über die NS-Verfolgung der Zeugen Jehovas lernte ich Horst Schmidt kennen. Auf diversen Veranstaltungen hatte er über seine Verfolgungsgeschichte berichtet. Er war Zeuge Jehovas und Kriegsdienstverweigerer. Seine Mutter, Emmy Zehden, hatte mehrere Kriegsdienstverweigerer versteckt und wurde in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Der Weg an der heutigen Gedenkstätte ist nach ihr benannt. Horst hatte sich zunächst versteckt und war später im Untergrund als Kurier im Deutschen Reich unterwegs. In Danzig wurde auch er verhaftet und in Berlin vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Während der Verhandlung erfuhr er von der Hinrichtung seiner Mutter.
Mehrfach fragte ich Horst, ob er seine Erlebnisse nicht aufschreiben wolle. Da er dies regelmäßig verneinte, begann ich, ihn immer wieder auf die Notwendigkeit einer Niederschrift hinzuweisen. Eines Tages überraschte er mich mit seiner Ankündigung, nunmehr doch ein Manuskript abfassen zu wollen. So begann unsere Zusammenarbeit, die 2003 zur Veröffentlichung des Buches „Der Tod kam immer montags“ führte. Da der Titel ein wenig ungewöhnlich klingt, gebe ich die entsprechende Textpassage wieder:
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„Der Tod kam immer montags. So gegen 10 Uhr fing er an der gegenüber liegende Zellenreihe an. Ich stellte ihn mir vor, wie er da kam: In der Person des Wachtmeisters mit seiner grünen Jacke und den silbernen Knöpfen und der schwarzen Hose. Eine Schirmmütze hatte er auf, und wenn er Gamaschenstiefel anhatte, klangen seine Schritte ganz schauerlich auf dem Steinboden. In der Hand hatte er einen Schlüsselbund und einen Zettel, auf dem die Namen derer standen, die er sich holen wollte. So ging er den Stationsgang hinunter und ganz still wurde es, denn jeder wollte hören, wo er eine Tür aufschloss und wie viele er holte. Dann kam er auf unserer Seite zurück, und je näher er unserer Tür kam, umso beklemmender wurde es. Blieb er stehen oder ging er vorüber? Er ging vorüber und für eine Woche war uns das Leben gegeben. Aber die Ruhe auf der Station blieb, als ob jeder an die dachte, die nun nicht mehr waren. Ab und zu wurde ein Name gerufen und wenn keine Antwort kam, dann wusste der Betreffende, dass sein Freund nicht mehr am Leben war. Wie viel Türen hatte der Tod diesmal aufgeschlossen? So genau wusste man es nie. Zwei, drei, oder vier?
Einmal aber musste sich der Tod verrechnet haben. Er kam mitten in der Woche. Ich war ganz erschrocken, denn damit hatte doch keiner gerechnet. Er hatte Helfershelfer mitgebracht und es entstand ein fürchterlicher Lärm auf dem Gang. Er fing auf der anderen Seite an, wie immer. Nun wurden die Türen auf- und zugeschlagen und die Schlüssel rasselten und klapperten. Der Tod ging den ganzen Gang hinunter und man glaubte, dass jede Tür aufgemacht wurde und dass alle Insassen herausgeholt wurden. Man hörte die schlurfenden Schritte des Gefangenen und die festen Schritte des Wachtpersonals. Wir standen an der Tür und lauschten. Jetzt kam der Tod auf unserer Seite zurück, die Schritte kamen näher und dann blieb er an unserer Tür stehen. Wir torkelten zurück zum Fenster, wir durften ja nicht an der Tür stehen. Aber da stand im Türrahmen schon der Tod mit seinem weißen Zettel, und er las den Namen des Franzosen vor, dessen Namen ihm wohl Schwierigkeiten bereitete, der nun heraustreten musste, der seine Brille abgeben musste und ein Helfershelfer schien ihn dann zum Ausgang zu bringen. Wieder schaute er auf seinen Zettel und auch der Pole stand darauf und er musste auch hinaus und wurde nach vorne gebracht. Dann schaute er mich an. Was habe ich in diesem Augenblick gedacht, habe ich was gesagt oder getan? Nichts weiß ich, ich sehe nur, wie die Türe wieder zugeht, und der Tod an mir vorüber- und weitergeht.“
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Das Buch war recht erfolgreich. Und es war mit ein Anlass, dass im November 2005 in Horsts Geburtsstadt eine Straße nach seiner Mutter benannt wurde.
Mein Verlag ermunterte mich, weitere Zeitzeugenbiografien aufzugreifen. Mit dieser Zusage im Rücken machte ich mich auf die Suche nach geeigneten Manuskripten. Einem Tipp folgend stieß ich auf zwei ungewöhnliche Zeitzeugenberichte. Den von Ewald Kaven und das Manuskript von Meta Kluge. Beide waren als Zeugen Jehovas in der DDR verfolgt worden, beide saßen nahezu zeitgleich in Bützow-Dreibergen (Mecklenburg-Vorpommern) eine langjährige Haftstrafe ab und beide hatten über diese Haftzeit Erinnerungen verfasst.
Aber es gab noch eine weitere Klammer, die beide Manuskripte miteinander verband. Meta Kluge schrieb in der Haft Gedichte. Schreiben war verboten, und so reimte sie, um sich ihre Erlebnisse und Empfindungen besser merken zu können. Manche Gedichte schrieb sie allerdings auf und versteckte sie in dem Strohsack, auf dem sie schlief. Eines Tages wurden diese Strohsäcke ausgetauscht. Einer gelang in die Männerabteilung zu Ewald Kaven, der die Gedichte fand und auswendig lernte. Erst Jahrzehnte später lernten sich beide in Westdeutschland kennen.
Diese Geschichte wollte ich unbedingt veröffentlichen, was auch 2004 (Ewald Kaven) und 2006 (Meta Kluge) geschah.
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Ebenfalls 2004 gab ich die Autobiografie von Charlotte Tetzner heraus. Sie war von den Nationalsozialisten verfolgt worden, weil ihr Vater Kommunist war. Zusammen mit ihrer Mutter wurde sie in dem Frauen-KZ Ravensbrück eingesperrt. Dort erfuhren sie von dem Tod des Vaters und Ehemannes in dem KZ Dachau. Charlotte Tetzner wurde noch in fünf weitere KZ der Nationalsozialisten verschleppt, u.a. in Auschwitz. Nach dem Krieg blieb sie in der DDR.
Das Buch ist sehr außergewöhnlich. Zu den schriftlichen Äußerungen Charlotte Tetzners wählte ihr Ehemann, Heinz Tetzner, über 20 Grafiken aus, die in dem Buch abgedruckt wurden. Eine dieser Grafiken gab dem Buch auch den Titel „Frierende“.
Heinz Tetzner ist Maler und Grafiker (Foto rechts, Kopf 1). Als Expressionist wurde er in der DDR verfemt. Erst gegen Ende der DDR gelangte seine Kunst zur vollen Anerkennung. Seine Kunst begeistert meine Frau und mich sehr. So sehr, dass wir uns intensiver mit seinem druckgrafischen Werk auseinandersetzten und 2006 unsere Forschungen unter dem Titel „Geschriebenes“ veröffentlichten.
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Parallel zu diesen Buchveröffentlichungen und mit unserem Umzug in die Nähe Kölns begann ich mit den Forschungen zu meiner Doktorarbeit. Seit Januar 2006 ist sie in der Schriftenreihe des Bremer Staatsarchivs unter dem Titel „Konstruktionen der Unschuld. Die Entnazifizierung am Beispiel von Bremen und Bremerhaven 1945-1953“ publiziert.
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Die Veröffentlichung dieser Arbeit markiert auch den Beginn eines neuen Schwerpunktes, mit dem ich mich in der nahen Zukunft auseinandersetzen werde: Vergangenheitspolitik. 2008 erschien, zeitgleich zu einer Ausstellung, ein Buch über Denkmäler und Mahnmale zur NS-Zeit im Rhein-Erft-Kreis, 2010 eines über Köln.
Von Januar 2008 bis September 2013 war ich Mitarbeiter im Projekt “Archiv des Gedenkens an die NS-Zeit im Rheinland”, das bei der Kunst- und Museumsbibliothek/Rheinisches Bildarchiv der Stadt Köln angesiedelt war und in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) durchgeführt wurde. Idee und Konzeption für dieses Archiv gehen auf mich zurück. Zahlreiche Publikationen der letzten Jahre setzen sich mit dieser Thematik auseinander.
2010 erschien das Buch “Russische Bürgerin, Name unbekannt. Gedenkbuch für Nina Sawina” zusammen mit Andreas Fragel (Fotos) und Jürgen Forster (Gestaltung) in einer Auflage von 20 Exemplaren, die an ausgewählte Institutionen und Einrichtungen verteilt wurden. Es war eine experimentelle Arbeit, um das Thema “Gedenkbuch” auszuloten.
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Eine ähnliche Arbeit (“Bis zur Narbe” - Eine Erzählung, Bremen 2011; vgl.a. www.biszurnarbe.de) befasst sich mit der Ermordung des Bremer Studenten Kurt Elvers, der an der Nordischen Kunsthochschule in Bremen (Zur Historiografie der Nordischen Kunsthochschule) studierte und von seinen Kommilitonen denunziert wurde, weil er nach dem Hitlerattentat vom 20. Juli 1944 gesagt haben soll: “Schade, dass es nicht geklappt hat, dann hätten wir jetzt Frieden”. Die Veröffentlichung erfolgte am 20. Februar 2011. An diesem Tag wurde Kurt Elvers in Hamburg 1945 erschossen und an diesem Tag wurde in Bremen 2011 ein Stolperstein für ihn verlegt. Am 9. September 2012 wurde für Kurt Elvers in Hamburg auf dem Ohlsdorfer Friedhof ein Gedenkstein eingeweiht (Bericht). Der Familiengrabstein wächst derzeit zu. Vermutlich wird er bald abgetragen.
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Seit Herbst 2013 arbeite ich an einer Ausstellung über den Kölner Bildhauer Willy Meller mit. Meller gehörte zu den meistbeschäftigten und vielgeachteten Bildhauern in der NS-Zeit. Werke von ihm sind z.B. auf der NS-Ordensburg Vogelsang zu sehen. Auch für das “Kraft durch Freude”-Seebad Prora auf Rügen schuf er zahlreiche Skulpturen. Der Stierbändiger auf dem nebenstehenden Foto steht heute in Ochsenfurt an der Mainbrücke und ist eine Art Wahrzeichen der Stadt.
Trotz seiner Arbeiten für die Nationalsozialisten erhielt Meller auch nach 1945 erstaunlich viele Aufträge, worunter Denkmäler, die an den II. Weltkrieg erinnern, einen besonderen Stellenwert innerhalb seines Werkes nach 1945 einnehmen. Zu den beredtsten Beispielen dieser ungebrochenen öffentlichen Beauftragung Mellers ist jedoch der Bundesadler am Palais Schaumburg in Bonn, dem Regierungssitz Konrad Adenauers, zu zählen.
Willy Mellers Biografie steht beispielhaft für viele Künstler dieser Zeit, die vor 1945 opportunistisch mit den Nationalsozialisten zusammenarbeiteten und nach 1945 sich dem neuen Geschmack anpassten. Im Rheinland gehört z.B. Will Hanebal dazu.
Die Ausstellung wird im Sommer 2014 in Köln gezeigt werden.
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