Vom Schlachthof nach ...
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Hesse, Hans/Schreiber, Jens, Vom Schlachthof nach Auschwitz. Die NS-Verfolgung der Sinti und Roma aus Bremen, Bremerhaven und Nordwestdeutschland, Marburg 1999, 342 S., 29,90 €, ISBN 3-8288-8046-0.

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Im März 1943 rollen hunderte Eisenbahnwaggons der Deutschen Reichsbahn in das Vernichtungslager Auschwitz. Aufgrund eines Erlasses von Heinrich Himmler sollen Zehntausende von Sinti und Roma von zentralen Sammelstellen im Deutschen Reich dorthin deportiert werden. Die meisten von ihnen kommen in dem Vernichtungslager Auschwitz um.
Die Sammelstelle für Nordwestdeutschland befand sich in Bremen. Für einige Tage wurde auf dem dortigen Schlachthof ein Sammellager eingerichtet, in welchem die Sinti und Roma der Kripoleitstelle Bremen zusammengetrieben wurden.
Das Buch schildert diese vergessene Geschichte der Opfer, sowie der Täter aus Bremen, Bremerhaven, Oldenburg und Ostfriesland. Darüber hinaus werden die Wurzeln dieses eliminatorischen Antiziganismus über die NS-Zeit hinaus dargestellt. Umfangreichere Kapitel sind deshalb sowohl der Zeit vor 1933 und der gescheiterten `Vergangeheitsbewältigung´ als auch den neuen, alten Methoden der ”Zigeunerbekämpfung” der Polizei nach 1945 gewidmet.

Rezension aus dem Oldenburger Jahrbuch 1999, Band 99, Katharina Hoffmann:
“Die beiden Autoren rekonstruieren nicht nur, wie die nationalsozialistische Verfolgungs- und Vernichtungspolitik regional umgesetzt wurde, welche Personen und Institutionen hierfür verantwortlich waren, sondern thematisieren gleichfalls die Kontinuitäten und Unterschiede in der Verfolgung dieser ethnischen Minderheit vor und nach der nationalsozialistischen Herrschaftsphase, die bis vor einigen Jahren noch praktizierte Verdrängungspolitik der nationalsozialistischen Verbrechen an Sinti und Roma und die damit verknüpfte Ignoranz gegenüber dieser Opfergruppe. ... Hesse und Schreiber zeigen mit ihrer Untersuchung sehr eindringlich, wie `die Geschichte vor Ort´ war und für wen sie in nicht wenigen Fällen tödliche Konsequenzen hatte bzw. eine schwere physische und psychische Schädigung bedeutete.”

Hinweis im Literaturbericht von Michael Zimmermann zur NS-Verfolgungsgeschichte der Sinti und Roma, in: Zimmermann, Michael, Zigeunerbilder und Zigeunerpolitik in Deutschland - Eine Übersicht über neuere historische Studien, in: WerkstattGeschichte 25, Mai 2000, S. 35-58, S. 39:
“Aus der Vielzahl neuerer bundesdeutscher Lokal- und Regionalstudien zur NS-Zigeunerverfolgung verdienen drei besondere Beachtung. [...] Hans Hesse und Jens Schreiber beschreiben für Bremen und Nordwestdeutschland das Vorgehen der kriminalpolizeilichen ´Dienststelle für Zigeunerfragen´, die Verhaftung von Zigeunern in der `Aktion `Arbeitsscheu Reich´´ 1938, die Zigeunerdeportation nach Polen 1940 und nach Auschwitz-Birkenau 1943, bei denen Polizei und kommunale Behörden - etwa in Oldenburg und in Cloppenburg - einen ganz gegensätzlichen Gebrauch von ihren Dispositionsspielräumen machten. [...]”
Ähnlich auch der gleiche Autor in: Forum Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, 2/2000, S. 70-71.

Rezension aus “Zeitschrift für Geschichtswissenschaft”, Heft 10/2000, S. 950f., Barbara Danckwortt:
“[...] Nachdrücklich hinterfragen die Autoren die oft geleugnete Verantwortlichkeit der einzelnen Kriminalpolizisten für die Verfolgung, deren Eigeninitiative bis hin zur Begleitung der Transporte nach Auschwitz belegt wird. Die Untersuchung der Nachkriegszeit offenbart nicht nur eine Kontinuität der Vorurteile bei der Mehrheitsbevölkerung und der Polizei, die darin gipfelte, dass Landfahrerkarteien angelegt und die Betroffenen mit Polizeigewalt auf Plätzen festgesetzt wurden, die teilweise zuvor als Lager gedient hatten. [...] Insgesamt hätte man sich von den Studie noch mehr biographische Details und Auszüge aus Interviews gewünscht. Mag sein, daß dieser Mangel von der `unüberwindbaren Mauer´ herrührt, die bei Sinti und Roma aufgrund der Verfolgungszeit fortwirkt, wie die Vf. verständnisvoll bemerken. Dennoch liegt mit dem Band nicht nur eine fundierte Quellen-, sondern auch eine wichtige Vergleichsstudie vor, denn nur durch die Gegenüberstellung werden lokale Besonderheiten ebenso wie generelle Züge der NS-´Zigeunerverfolgung´ erkennbar.”

Rezension von Jacqueline Giere, Deutsche Sinti erzählen ... und andere Bücher, in: Newsletter. Informationen des Fritz Bauer Instituts zur Geschichte und Wirkung des Holocaust, Nr. 20, Frühjahr 2001, S. 50-51 (vollständiger Text):
“[...] Ihre Recherchen zum Dritten Reich und zur Nachkriegszeit sind sehr detailliert. Sie haben dabei mehrere einzelne Sinti-Schicksale rekonstruieren können wie auch das Verhalten einzelner NS-Beamter - und die kaum erfolgte Bestrafung selbiger - ausführlich beschrieben. [...]”

Rezension von Günther Rohdenburg, in: Arbeiterbewegung und Sozialgeschichte, Heft 9/2002, S. 62-64 und Bremisches Jahrbuch, Bd. 81, 2002, S. 232-234:
“Den Autoren gelingt es hervorragend, sprachlich angemessen die immer wieder bedrückenden Details zu schildern, aus ihnen das Gesamtbild zu entwickeln und damit diese Verfolgtengruppe endlich angemessen dem Vergessen zu entreißen.”

Rezension auch im “Bremer Antifaschist” vom März 2002.

Rezension des Hochschuldozenten des Historischen Seminars an der Universität Hannover, Hans-Dieter Schmid,  in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte, Bd. 74, 2002, S. 357-359:
“ [...] Die enge Verbindung von Opferforschung und Täterforschung ist eine der Stärken dieser Arbeit. Eine zweite ist die umfassende Erhebung der Quellen in den verschiedenen staatlichen und kommunalen Archiven. Die Arbeit zeigt fast mustergültig, was man durch die intensive Auswertung der verschiedensten Quellen für die historische Rekonstruktion in einem Bereich erreichen kann, für den die eigentlichen Akten der Verfolgungsinstanzen durch die Täter selbst oder die Bomben der Alliierten so gut wie vollständig vernichtet worden sind.” Schmid verweist aber auch auf die vielen Tippfehler und  “auf das immer mehr um sich greifende Übel, dass Bücher in kleinen Verlagen überhaupt nicht mehr lektoriert werden.” Sein Fazit deshalb: “Es ist bedauerlich, dass eine so verdienstvolle Arbeit, in der zum ersten Mal die Geschichte der Verfolgung der Sinti und Roma in der NS-Zeit in einer größeren Region Niedersachsens intensiv und quellennah untersucht wird, durch solche formalen Mängel nachhaltig beeinträchtigt wird.”
Hierzu ist von den Seiten der Verfasser der Studie zu sagen, dass sie die Veröffentlichung in einem Verlag, der sich ein Lektorat leisten kann, angestrebt hatten, dass aber die Umstände des Forschungsprojektes dieses letztendlich unmöglich machten. Manche Rezensenten kannten diese “Umstände”.

Hubert Kolling, in: Geschichte, Politik und ihre Didaktik, 2003 (31), Heft 3/4, S. 274-276, S. 275f.:
“Die mit einem soliden Anmerkungsapparat ausgestattete Veröffentlichung belegt eindrucksvoll, dass der Völkermord der Nationalsozialisten an den Sinti und Roma in der Geschichte ohne Beispiel ist. Niemals zuvor wurde eine ethnische Minderheit vom Baby bis zum Greis, nur auf Grund ihrer Geburt, so konsequent, pseudo-wissenschaftlich `untermauert´ und geradezu planmäßig erfasst, festgesetzt, von den Haaren bis zu den Zehen vermessen, verkartet und `erforscht´ und - in einem letzten Schritt - vernichtet, wie die Sinti und Roma. Hier erfüllen regionalhistorische Quellen- und Vergleichsstudien wie die vorliegende die wichtige Funktion aufzuzeigen, wie “es vor Ort war”, wer daran beteiligt und - vor allem - wer die Opfer waren.”

Literaturverzeichnis zur NS-Verfolgung der Sinti und Roma

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